Hansezeit

Stralsund und Wismar nahmen schon im 13. Jahrhundert sowohl in wirtschaftlicher als auch in politischer Hinsicht einen raschen Aufschwung. Beide Städte gehörten zum wendischen Quartier der Hanse. Diese um Lübeck gescharte und mit dem lübischen Stadtrecht bewidmete Städtegruppe bildete das politische Zentrum des Städtebundes. Während Wismar die ersten Zusammenschlüsse der Städte in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts ermöglichte, wodurch der Weg von der Kaufmannshanse zur Städtehanse gewiesen wurde, bestimmte Stralsund die Geschichte der Hanse im 14. Jahrhundert wesentlich mit.

Die Hanse war ursprünglich ein zweckgerichteter Zusammenschluss von norddeutschen Kaufleuten im Ausland zur gemeinsamen Vertretung ihrer Handelsinteressen. Dieser Städtebund umfasste in seiner Glanzzeit etwa 200 See- und Binnenstädte und stellte über mehrere Jahrhunderte eine wirtschaftliche und politische Macht ersten Ranges in Nord- und Mitteleuropa dar.

Schnell konnten sich beide Städte wichtige Positionen im Fernhandel über die Ostsee und Nordsee erobern. Wismarer und Stralsunder Kaufleute spielten eine maßgebliche Rolle im Zwischenhandel mit Tuch aus Flandern, mit Wolle aus England, mit Honig, Wachs und Pelzen aus Livland, mit Wein aus Frankreich, Spanien und Portugal sowie im Handel mit Fisch aus Norwegen. Beide Städte zählten neben Lübeck zu den ersten Städten, die den für das Mittelalter so bedeutenden Heringshandel auf Schonen betrieben.

Der überaus schnelle Aufschwung in der Frühzeit, die enorme wirtschaftliche Potenz insbesondere in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts und der daraus resultierende Wohlstand der Stadt Wismar basierten in erster Linie auf der im gesamten Hanseraum berühmten Bierproduktion. Auch Ackerbau war für Wismar von Bedeutung, wobei die Hopfenproduktion für die Stadt zweifellos am wichtigsten war. Das prosperierende Gemeinwesen zog auch den Fürsten an. Er verlagerte um 1256 seine Residenz vom Dorf Mecklenburg in die Stadt Wismar. Beide Städte hatten spätestens um die Mitte des 13. Jahrhunderts eine eigene Bürgervertretung, den Rat.

Die Zeiten der Hanse waren nicht immer friedlich. Der dänische König Waldemar IV. Atterdag versuchte die Vormachtstellung der Hanse zu brechen, unterlag aber den vereinigten Städten. Am 24. Mai 1370 wurde Frieden zwischen den hansischen Städten und dem Reichsrat des Königreichs Dänemark geschlossen. Der berühmte „Stralsunder Frieden" von 1370, der das langjährige Ringen zwischen den Handelsstädten und dem Königreich Dänemark beendete, gilt als Höhepunkt hansischer Machtentfaltung.

Der errungene Reichtum und das Selbstbewusstsein der Bürger spiegeln sich in beiden Städten sowohl in herausragenden Sakralbauten wie den monumentalen Backsteinkirchen, als auch in aufwändig gestalteten Bürgerhäusern im Stadtbild wider. Die Handelsbeziehungen zwischen den Hansestädten fanden eindrucksvollen Niederschlag im Innern der Pfarrkirchen. Ausstattungsstücke wie der Bergen/Norwegenfahrer-Altar, das Arhus/Dänemarkfahrer-Gestühl und das Nowgorodfahrer-Gestühl in St. Nikolai zu Stralsund vermitteln Vorstellungen von den weit gespannten Handelsbeziehungen. Der Stolz auf die städtischen Freiheiten und die zunehmende Unabhängigkeit von ihren Landesherren fand insbesondere in den Rathäusern und in den starken Befestigungsmauern, Toren und Türmen seinen deutlichen Ausdruck. Zwischen 1330 und 1380 muss man für Stralsund von einem regelrechten Bauboom sprechen, der eine eigenständige Formensprache, die „Sundische Gotik" hervorgebracht hat. Die Architektur dieser Epoche ist Ausdruck des wirtschaftlichen Aufschwungs und der steigenden politischen Macht Stralsunds.

Während des allmählichen Niedergangs der Städtegemeinschaft im Laufe des 15. Jahrhunderts versuchten die Städte Stralsund und Wismar, trotz innerer Schwierigkeiten ihre Stellung zu behaupten. Während im 15. Jahrhundert in wirtschaftlicher Hinsicht noch eine relativ ruhige Fortentwicklung zu verzeichnen war, verloren beide Städte im 16. Jahrhundert mit dem Niedergang der Hanse ihre hervorragende Bedeutung. Bedingt durch den Niedergang der Hanse, reduzierten sich auch die Bauaktivitäten in beiden Städten.

In Wismar entstanden in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts dennoch einige höchst bedeutsame Renaissancebauten, z.B. das „Neue Haus" des Fürstenhofs, das später Sitz des Königlich-Schwedischen Tribunals des Oberappellationsgerichts für alle schwedischen Provinzen in Deutschland werden sollte, außerdem das „Schabbellhaus" sowie die „Wasserkunst" als architektonische Krönung des städtischen Rohrwassernetzes.