Welterbe – Warum?

Im Rahmen der Welterbekonvention wurden Kriterien zur Aufnahme von Stätten in die Welterbeliste entwickelt. Stätten gelten als von außergewöhnlicher weltweiter Bedeutung, wenn das Welterbekomitee feststellt, dass sie einem oder mehreren dieser Kriterien entsprechen und außerdem ihre Authentizität (historische Echtheit bei Kulturerbestätten) bzw. Integrität (bei Naturerbestätten) belegt werden kann.

Die „Historischen Altstädte Stralsund und Wismar" erfüllen zwei Kriterien:

Kriterium 1)
Sie können einen längeren Zeitraum hindurch oder innerhalb einer bestimmten Kulturlandschaft der Erde einen bedeutenden Austausch menschlicher Werte in Bezug auf die Entwicklung der Architektur, der Technologie, der monumentalen Künste, des Städtebaus oder der Landschaftsgestaltung vorzeigen.

Als wirtschaftlich mächtige und politisch einflussreiche Mitglieder der Hanse hatten die beiden Städte maßgeblichen Anteil an dem europäischen Austausch kultureller Errungenschaften, technischen Wissens und weltanschaulicher Ideen, der sich auf der Grundlage der weit gespannten Handelsbeziehungen im gesamten Ost- und Nordseeraum vollzog.

Insbesondere in Bezug auf die gotische Sakralarchitektur lässt sich dieser Austausch in Nordeuropa nachweisen. Die Gruppe der sechs monumentalen Backsteinkirchen Wismars und Stralsunds ist Zeugnis für eine bedeutsame Verschmelzung unterschiedlicher kultureller Einflüsse: Aus der Kombination der italienischen Backsteintechnik mit dem repräsentativen Kathedralbauschema Nordfrankreichs entstand in den wendischen Hansestädten eine Reihe gotischer Basiliken, die von den sechs Kirchenbauten in hervorragender Weise repräsentiert werden. Die „wendische Sakralarchitektur" übte einen maßgeblichen Einfluss bis ins Baltikum und nach Skandinavien aus.

Neben den Kirchenbauten hatte besonders das Stralsunder Rathaus als einer der bedeutendsten Profanbauten der Backsteingotik überhaupt einen entscheidenden Einfluss auf zahlreiche Rathausbauten im südlichen Ostseeraum. Zur Schwedenzeit entstanden zwischen den beiden Städten und dem Mutterland vielfältige kulturelle Beziehungen besonders im Bereich der Architektur. Die gegenseitigen baulichen Einflüsse lassen sich sowohl im Stadtbild Wismars und Stralsunds als auch in Schweden noch heute nachweisen.

Kriterium 2)
Sie stellen ein hervorragendes Beispiel eines Typus von Gebäuden oder Gebäudegruppen dar, die bedeutsame Abschnitte menschlicher Geschichte veranschaulichen.

Mit ihren unverändert erhaltenen mittelalterlichen Stadtgrundrissen, ihrer ebenfalls aus dem Mittelalter überlieferten charakteristischen Parzellengliederung der Baublöcke sowie ihrem reichen Bestand an gotischer Backsteinbaukunst sind Stralsund und Wismar hervorragende Beispiele hansischer Seehandelsstädte aus der Blütezeit des Städtebundes.

Von herausragender Bedeutung ist das in Wismar bewahrte mittelalterliche Hafenbecken, das diesen wesentlichen stadtbildenden Faktor der ursprünglichen Anlage von Seehandelsstädten veranschaulicht. Darüber hinaus hat sich hier mit der Grube der letzte künstlich angelegte mittelalterliche Wasserlauf einer norddeutschen Altstadt erhalten.

Einzigartig in Stralsund ist die seit dem 13. Jahrhundert unveränderte Insellage zwischen dem Strelasund und den landseitigen, bald nach der Stadtgründung aufgestauten Teichen. Bedingt durch diese spezifische topographische Lage verfügt Stralsund über eine unverwechselbare Silhouette. Die Vielzahl qualitätvoller Bauwerke der gotischen Backsteinarchitektur, allen voran die Gruppe der sechs Pfarrkirchen, spiegelt den enormen Reichtum und den politischen Machtanspruch der wirtschaftlich schnell erstarkten jungen Handelsstädte wider.

Neben dem Stralsunder Rathaus, einem Bauwerk von hoher architekturgeschichtlicher Bedeutung, sind die zahlreichen mittelalterlichen Kaufmannshäuser in beiden Städten zu nennen, an denen sich die typische Bebauung der schmalen, tiefen Parzellen ablesen lässt. Wismar stellt mit seiner nahezu lückenlos überlieferten Straßenrandbebauung einen Stadtkern von einmaliger Geschlossenheit dar. In beiden Städten ist außerdem der archäologische Untergrund ein Bodendenkmal von hervorragender Bedeutung.